Die falsche Personalpolitik von SEO Agenturen

Die letzten Updates von Google hebeln die gängigen Arbeitsprozesse von SEO Agenturen aus. Sie sind nicht mehr so erfolgreich und in Bezug auf potentielle Abstrafungen sehr riskant geworden. Google schafft es immer besser, „echte“ Qualität von künstlicher SEO Optimierung zu unterscheiden und trotzdem relevante Suchergebnisse auszuliefern. SEO Agenturen müssen umdenken, neue Prozesse integrieren. Das fängt bei der Personalpolitik an.

SEO’s werden nicht eingestellt!

Auf der BrightonSEO Konferenz in England habe ich dieses Jahr mit den zwei anderen früheren Google Search Quality Kollegen Fili Wiese und Alfredo Pulvirenti am Experten SEO-Panel „Ask the Ex-Googlers anything“ teilgenommen. Auf die sehr gute Frage aus dem Publikum, wie wir als Inhaber einer SEO-Agentur nun Google konform Linkbuilding betreiben, habe ich zwei Dinge gesagt: Zum einen haben wir uns bei der Betreuung im Bereich SEO, SEM und Online Marketing eine Nische heraus gepickt. Somit fällt es uns leichter, in einem bestimmten Bereich Expertise und Kontakte aufzubauen.

Zum anderen habe ich betont, dass ich keine Personen einstelle, die schon einmal im Bereich SEO gearbeitet haben, da diese mir zu „schmutzig“ denken. Das hat gesessen, mehr als 1000 SEO’s im schicken Opernsaal waren wenig erfreut, wie auf Twitter nachzulesen war. Warum habe ich das gesagt, wollte ich mich unbeliebt machen?

twitter-zitat

Abb. 1: Twitter-Zitat: „SEO’s denken zu schmutzig!“

Prozesse in den SEO Agenturen

Google hat es geschafft, dass die alten lukrativen Prozesse in den Agenturen nicht mehr so wirkungsvoll sind (Ausnahmen bestätigen die Regel). Früher hatten die Agenturen eifrig Links und Texte eingekauft und mit Aufschlag verkauft. Die etwas größeren Agenturen haben die Texte selbst geschrieben, meist durch billige Praktikanten. Zusätzlich haben sie in Linknetzwerke investiert und die Links teuer direkt weiterverkauft. Man kann mit Sicherheit von einem lohnenden Arbitragegeschäft sprechen  – bis Google mit den neuen Updates wie Panda und Pinguin den Goldrausch beendet hat. Nun geht die große Angst und Verunsicherung durch die Szene. Wie machen wir weiter?

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Fachkräftemangel in der Branche

In der letzten Website Boosting (Ausgabe 19) war der aktuelle Fachkräftemangel ein großes Thema, nicht ganz zu Unrecht, es gibt kein wirklich gutes Ausbildungssystem. Allerdings werden vielleicht zu viele Suchmaschinenoptimierer gesucht. Denn sie sind nur in bestimmten Bereichen gut, wie zum Beispiel in der technischen Suchmaschinenoptimierung oder in der Analyse. Bereiche wie Markenaufbau bzw. Branding, (Online)-Pressearbeit, hochwertige Texte mit Experten-Knowhow verfassen, Produktmanagement – das sind keine Stärken eines SEO’s. Werden diese Strategien auf Konferenzen vorgeschlagen, entstehen zwei Szenarien: entweder der SEO resigniert, weil er es nicht kann oder er versucht Möglichkeiten zu finden, die diese Disziplinen nachbilden, also der Algorhytmus soll wieder manipuliert werden.

Gewünschte Verantwortungsbereiche eines Suchmaschinenoptimierers in einer Agentur

Schauen wir uns an, welche Aufgaben und Fähigkeiten Agenturen heutzutage von einem SEO Manager bei der Einstellung verlangen, ist es kein Wunder, dass zu wenig Fachpersonal gefunden wird. Wer soll diese ganzen Disziplinen auf hohem Niveau beherrschen können? Vor allem wenn wir uns das ambitionierte Ziel setzen, Suchmaschinenoptimierung nachhaltig und Google konform durchzuführen. Folgende Aufgaben erwarten einen SEO Manager in einer Agentur, wenn wir diverse Stellenausschreibungen betrachten:

  1. Fähigkeit zur gezielten SEO Analyse bestehender Webseiten/-shops
  2. Strategische Erarbeitung sowie aktive Steuerung der SEO Maßnahmen (Onpage, Technik, Offpage) im Unternehmen mit Fokus auf stetige Optimierung
  3. Keyword-Analyse und -Research
  4. Texterstellung und -Optimierung
  5. Entwicklung und Umsetzung von hochqualitativen Linkstrategien für alle relevanten Seiten
  6. Auf- und Ausbau von Universal Search Rankings
  7. Koordination von externen Dienstleistern (Content, Off Page, Entwicklung, uvm.)
  8. Wettbewerber-Analyse OnPage und OffPage
  9. Analyse und Auswertung suchmaschinenrelevanter Daten
  10. Controlling der KPI´s je Kampagne und Optimierung mit den jeweiligen Produktmanagern, Optimierung der Keyword Listen anhand der Performance-Kennzahlen
  11. Aktives Testing neuer innovativer Maßnahmen
  12. Reporting an die Geschäftsführung und Marketingleitung
  13. Betreuung und Beratung unserer Kunden
  14. Stetige Markt-, Wettbewerbs- und Trendbeobachtung

Einzelne Funktionen und Aufgabengebiete

Diese Aufgaben sowohl strategisch als auch operativ auszuüben; dafür sind verschiedene Persönlichkeiten und Qualifikationen nötig. Zum Beispiel fehlt einem Strategen in Form eines Projektleiters bei operativen Arbeiten meist die Detailtreue, das Know-how oder die Motivation.

Es sind unterschiedliche Funktionen und Jobprofile zu entwickeln, die die Umsetzung der geforderten Maßnahmen mit hoher Qualität umsetzen können.  Matt Cutts hat auf der Pubcon 2011 in Las Vegas in seiner Präsentation treffend formuliert: „SEO=Marketing“. Die letzten Updates von Google haben diese These durchaus unterstrichen.  Somit können wir uns u. a. am Aufbau klassischer Marketing- bzw. Werbeagenturen orientieren, um das zeitgemäße SEO Team aufzubauen – natürlich mit einigen Abweichungen. Welche Funktionen brauchen wir?

SEO Projektleiter, Berater und Key Account (m/w)

Der gesuchte SEO Manager hat die SEO Projektleitung zu übernehmen, nicht aber die meisten operativen Aufgaben, die in den Stellenausschreibungen gefordert werden. Er hat über alle Teilbereiche im Bereich Suchmaschinenoptimierung Bescheid zu wissen, er ist der Stratege. Er hat zu wissen WAS zu machen ist und delegiert es weiter. WIE die Aufgaben zu erledigen sind, das ist die Verantwortung der Spezialisten. Auch die Analyse der relevanten Daten, die Qualitätssicherung, Testing, Beratung der Spezialisten im Team und die Kundenbetreuung sind seine Aufgaben. Mit diesen Verantwortungsbereichen ist er ausreichend ausgelastet. Er ist eigentlich die einzige Person, die etwas von Suchmaschinenoptimierung verstehen muss, zumindest übergreifend. Der SEO Projektleiter ist auch der einzige aus dem Team, der sich auf SEO Konferenzen und Blogs fortbilden sollte.

Programmierer (m/w)

Der Spezialist „Programmierer“ bearbeitet die technischen SEO Bereiche. 301 redirects, Speedoptimierung, SEO Ausrichtung des Content Managments Systems, etc. Ebenfalls spannen wir ihn ein, um zeitintensive manuelle Prozesse zu automatisieren, z. B. entwickelt er interne Tools für die Spezialisten. Um seine Kapazitäten auszuschöpfen setzen wir ihn bei der Programmierung von Landing Pages, SEO/Usabilty Tests oder sogar ganzen Websites ein. SEO Kenntnisse sind vorab nicht nötig, die wenigen wichtigen Punkte werden vom SEO Projektleiter erklärt. Kleine Agenturen können auf freie Programmierer zurückgreifen, wenn sie sich einen Vollzeitprogrammierer nicht leisten können.

Marketing Spezialist (m/w)

Themen wie Branding und Benutzerverhalten sind im Algorithmus von Google essentielle Rankingfaktoren geworden. D. h. wir brauchen einen Mitarbeiter, der ausgebildet wurde, um Zielgruppen und Märkte zu analysieren, integrierte Kommunikationskonzepte zum Markenaufbau zu entwickeln und Alleinstellungsmerkmale auszuarbeiten und zu kommunizieren. Bestenfalls verfügt der Spezialist noch über ein exzellentes Sprachgefühl und Textverständnis, er ist für die qualitativ hochwertigen Texte auf der eigenen Website verantwortlich. Des weiteren koordiniert er gegebenenfalls die Werbekampagnen zum Markenaufbau.

Der SEO Projekleiter schult und berät die Fachkraft für Marketing in den für Suchmaschinenoptimierung relevanten Punkten wie Titles und Meta descriptions texten, vernünftige Berücksichtigung von Suchbegriffen in den Produkttexten und Verlinkungen bei Marketingkooperationen. Schon aufgrund seiner Ausbildung wird der Spezialist darauf achten, dass die Maßnahmen nicht zu „spammig“ durchgeführt werden. Marken stehen für Eigenschaften wie Qualität, Vertrauen, Nachhaltigkeit, Emotionen und Kundennutzen.

Große Firmen haben diese Positionen und Expertise des Öfteren intern aufgebaut, eine sehr sinnvolle Maßnahme. Das Outsourcing an eine Agentur ist bei dieser Konstellation nicht mehr unbedingt nötig, der SEO Projektleiter berät den Mitarbeiter des Kunden direkt. Die Marketingfachkraft bildet sich nicht in der SEO Szene weiter, sondern besucht Marketingkongresse und Social Media Konferenzen. Der Einsatz von Social Media für den Bereich Branding ist je nach Produkt sehr empfehlenswert.

Brands are the solution, not the problem.“ (Früherer Google CEO Eric Schmid)

Spezialistin für Pressearbeit (m/w)

Wir brauchen keinen „Linkbauer“, der „offpage“ wütet. Wir brauchen einen Spezialisten für Pressearbeit, der weiß wie seine journalistischen Kollegen arbeiten und ticken. Idealerweise hat er schon auf der „anderen“ Seite gearbeitet. Er pflegt sein Netzwerk und baut es weiter aus, auch auf exklusiven Veranstaltungen für und von Journalisten. Er hat ein Gespür dafür welcher Journalist zu welcher Zeit bestimmte Informationen braucht und liefert diese. So entsteht eine Win/Win Situation für alle Beteiligten. Der Journalist hat seine Story, der Manager für Pressearbeit seinen Kunden redaktionell platziert. Voraussetzung für eine erfolgsversprechende Arbeit ist ein gutes Produkt.

Die Fachkraft für Pressearbeit ist textsicher und kann sich gewählt ausdrücken. Sie textet bzw. kontrolliert die Inhalte, die außerhalb der eigenen Website, also in externen Medien, platziert werden. Sie arbeitet eng mit der Fachkraft für Marketing zusammen, da sich die jeweiligen Verantwortungsbereiche und Zielsetzungen sehr gut ergänzen. Vom SEO Projektleiter hat die PR-Kraft gelernt, bei allen Presseaktionen an relevante Verlinkungen zu denken. Auch diese Position kann im Unternehmen des Kunden platziert sein oder die SEO Agentur kooperiert mit einer auf Public Relations spezialisierten Agentur.

Designer (m/w)

Um unsere Inhalte ansprechend zu präsentieren brauchen wir einen fähigen und kreativen Designer. Er erstellt nützliche Infografiken und Illustrationen, achtet mit dem Spezialisten für Marketing darauf, dass das Corporate Design des Kunden berücksichtigt wird. Er arbeitet an der Erstellung von neuen Landing Pages mit, bearbeitet Bilder für die Website. Beim Besuch einer Website entscheidet der erste Eindruck, ob ein potentieller Kunde bleibt oder nicht, dafür ist der Designer maßgeblich mit verantwortlich. Absprungraten sind ein (negativer) SEO Rankingfaktor.

Auch bei einem Designer kann es sich anbieten, auf Freelancer zurück zu greifen. In Teilbereiche der Suchmaschinenoptimierung muss er nur dann eingewiesen werden, wenn er komplette Webdesigns entwirft.

SEO = Marketing

Die meisten SEO Konferenzen haben ohne Frage ein sehr hohes Niveau erreicht. Leider referieren meistens nur Verantwortliche von SEO Agenturen oder Inhouse SEO’s, wie man Kampagnen im Bereich Branding oder Online Pressearbeit (in der SEO Szene „natürlicher Linkaufbau“ genannt) erfolgreich durchführen kann. Das ist nicht mehr zeitgemäß.

Die Branche muss sich öffnen: wir brauchen Vorträge von externen Spezialisten, z. B. erfolgreiche Journalisten von großen Medienhäusern, Geschäftsführer von etablierten Presseagenturen, Brand Manager oder Marketing Strategen. Sie haben einen höheren Einfluss auf Google als wir wahrhaben wollen. Von ihnen können wir noch viel lernen.

Noch besser, wir integrieren sie in unser SEO Team. Glücklicherweise ist es einfacher, gute Marketingfachleute zu finden oder niedrig bezahlte Journalisten abzuwerben als SEO Experten zu suchen. Wir können auf ihre Expertise nicht mehr verzichten.

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2 thoughts on “Die falsche Personalpolitik von SEO Agenturen

  1. Moin Jonas, da sagst Du was.

    Ein paar ergänzende Gedanken:
    1. Erfahrungsgemäß muss keine der Positionen im Unternehmen sitzen, wenn das Unternehmen Dienstleister und Freelancer richtig gut koordinieren kann (ist selten, aber gibt es). Und natürlich sollte die Kommunikation des Unternehmens nah am Unternehmen selbst sitzen. Spätestens in Krisenzeiten wird das essentiell.
    2. SEO muss von allen Beteiligten als Teil der Arbeit angenommen und gelebt wird.
    3. Alle Beteiligten müssen wissen, dass SEO kein Selbstzweck ist, sondern ein Mittel zum Erreichen von Unternehmens-/Organisationszielen (Umsatz, Gewinn, Weltfrieden). Die Arbeit endet daher nicht beim Ranking. Auch nicht die eines SEOs.
    4. Es gibt tolle SEOs da draußen. Aber viele würde auch ich nicht einstellen, wenn ich Beratung für einen Kunden anbiete. Was bei solchen Pauschalaussagen leider immer ignoriert wird (sowohl von der Person, die die Aussage tätigt, als auch von der, die sie hört/liest): Jedes Unternehmen ist anders und jedes Geschäftsmodell stellt andere Anforderungen an Mitarbeiter (stark überzeichnet skizziert):
    ** Affiliate-Bude: Darf hohes Risiko gehen. Wenn die Seite abraucht kann eine neue aufgesetzt werden. Geschwindigkeit schlägt Qualität. SEO kann einziger Kanal sein.
    ** Markenartikelhersteller: Produkt steht im Mittelpunkt, Sales nachrangig. Die Domain ist für die Ewigkeit bestimmt. Risikominimierung und Brand-Building stehen im Vordergrund.
    ** Shop: Umsatz/Marge ist die Währung. Kanal ist egal, so lange er sich rechnet. Effizienz ist wichtig. Die Kanäle müssen sauber abgestimmt werden. SEO, SEA, Social müssen Hand in Hand gehen.
    ** NGO: Kein Problem an Links zu kommen. Aber: Alle Maßnahmen stehen unter hohem Kostendruck.

    Dazu kommt das Alter des Unternehmens und die gesamte Unternehmenskultur. Auch im Online Marketing wird ein Verkäufer von Party-Events risikofreudiger sein (müssen?) als ein traditionsbewusstes Unternehmen in Familienhand mit Produkten, die beim Kunden Vertrauen in die Marke voraussetzen. Eine Agentur braucht andere Menschen als eine reine Beratung oder ein produzierendes Unternehmen. b2b und b2c…

    Das ideale SEO-Team kann es also nicht geben und für manche(!) Unternehmen/Unternehmungen ist die schmutzige Seite/Denke vieler SEOs genau das richtige.

    Viele Unternehmen lassen sich auch zurecht von dieser Denke inspirieren, ohne selbst danach zu handeln. Und auch das ist richtig so.

    Ich finde Deine Aussage toll überspitzt. Wenn man sich einmal Gedanken macht, welchen Typus von SEO Du meinst und welche Aufgaben er erfüllen soll, dann ist sie auch absolut richtig. Auf der anderen Seite gibt es eine Menge Menschen die SEOs genannt werden, die diesem Typus nicht entsprechen und für die Aufgaben Deines SEO-Projektmanagers perfekt geeignet werden. Entscheidend ist glaube ich weniger die Vergangenheit, sondern die Möglichkeit eines Kandidaten sich auf veränderte Spielregeln und langfristiges Denken einzustellen.

    Eine Position in Deinem Unternehmen hast Du vergessen. Den Wasserträger des Projektmanagers. Die Person, die dem Strategen hilft die Strategie zu Umsetzung zu bringen. Die Programmierer zu treten zu motivieren, oder die Tickets in Konkurrenz zu anderen Disziplinen zu priorisieren. Die Arbeit der Pressemenschen nachzuhalten und die Texterarbeit zwar nicht zu kontrollieren, aber gelegentlich mit einem zweiten Blick zu besseren Ergebnissen zu helfen. Usw.

    Denn schließlich muss der Stratege sich auch um Strategie (Ausrichtung/Entwicklung der Seite, Unternehmenspolitik, Abstimmung der SEO-Arbeit mit dem Gesamtorganismus Unternehmen) kümmern können und soll nicht im reinen operativen Überwachen der Strategie gefangen bleiben. In größeren Organismen wird das schnell ein Problem.

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